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Entwicklung eines neuen Regenwurmtests

17. Mai 2016, Thema: Bodenökotoxikologie

Entwicklung eines neuen Regenwurmtests

Das Oekotoxzentrum hat den Köderstreifentest angepasst, um die Frassaktivität von Regenwürmern im Labor zu messen. Der Test gibt eine funktionelle Antwort, die für das Ökosystem relevant ist, und könnte die Risikobewertung von Schadstoffen in Zukunft verbessern.

Im Boden krabbelt und wuselt es: Pro Hektar leben bis zu 25 Tonnen Bodenorganismen in den obersten 30 Zentimetern Boden, was etwa dem Gewicht von 35 Rindern entspricht. All diese Organismen übernehmen wichtige Funktionen im Boden und erhalten so die Bodenfruchtbarkeit. Schadstoffe im Boden können die Vermehrung, das Verhalten oder die Frassaktivität der Bodenorganismen beeinträchtigen und so das ganze Ökosystem stören. Als Modellorganismen für das Risiko von Chemikalien für Bodenlebewesen untersuchen Wissenschaftler und Regulatoren oft Regenwürmer. Diese Nützlinge spielen nämlich eine Rolle für die biochemischen Kreisläufe, durchlüften den Boden und kompostieren organisches Material.

Regenwürmer als Modellorganismen

Um das Risiko von Chemikalien für Regenwürmer zu beurteilen, stehen verschiedene standardisierte Labortests zur Verfügung: so der akute Toxizitätstest, bei dem die Sterblichkeit der Würmer gemessen wird, der Reproduktionstest, der ihre Vermehrung betrachtet, und der Vermeidungstest, der untersucht, ob die Regenwürmer belastetem Boden ausweichen. Besonders der Reproduktionstest und der Vermeidungstest zeigen eine Regenwurmtoxizität empfindlich an, doch der Reproduktionstest ist sehr arbeitsintensiv und benötigt mit einer Laufzeit von 56 Tagen viel Zeit. Der Köderstreifentest hingegen – für ihn gibt es einen vorläufigen ISO-Standard – wird meist im Feld eingesetzt, um das ökologische Risiko von belasteten Böden zu bewerten. Hierzu werden gelochte PVC-Streifen mit Ködermaterial in den Boden gesteckt und die Frassaktivität aller Bodentiere durch das Verschwinden des Ködermaterials gemessen. Je mehr Tiere vorhanden und je vitaler diese sind, desto grösser ist die Frassaktivität.

„Der Test könnte doch auch die Frassaktivität von Regenwürmern im Labor messen“, dachte Sophie Campiche von Oekotoxzentrum – so liesse sich ein zusätzlicher relevanter Endpunkt erfassen. Zusammen mit der Masterstudentin Margot Visse von der Universität Bordeaux adaptierte sie den Köderstreifentest für die Laboranwendung, indem sie jeweils 5 PVC-Streifen pro Bodenprobe zusammen mit 5 Regenwürmern der Art Eisenia andrei in Behälter mit belastetem Boden steckte und 48 Stunden inkubierte. Die beiden Wissenschaftlerinnen untersuchten im angepassten Köderstreifentest die Wirkung eines Biozids aus Kupfer, Chrom und Bor (CuCrB) auf die Regenwürmer und verglichen die Wirkung im Vermeidungstest und im Reproduktionstest. Dieses in der Schweiz sehr verbreitete Holzschutzmittel wird meist draussen eingesetzt und kann daher in Böden auswaschen und dort Bodentiere beeinträchtigen.

Empfindlicher Köderstreifentest

Es zeigte sich, dass die CuCrB-Mischung die Frassaktivität der Regenwürmer signifikant beeinträchtigte. Der Köderstreifentest mit Regenwürmern lieferte für das Holzschutzmittel einen NOEC (No Observed Effect Concentration) von 3.4 mg/kg – dies ist die höchste Konzentration, bei der keine schädliche Wirkung auf die Regenwürmer festgestellt wurde. Im Vermeidungstest fanden Sophie Campiche und Margot Visse einen vergleichbaren NOEC, während der 56-tägige Reproduktionstest erst bei einer 10-fach höheren Konzentration Effekte zeigte, also deutlich unempfindlicher war.

Sowohl der Vermeidungstest als auch der Köderstreifentest liefern beide schon nach 48 Stunden Ergebnisse über die Frassaktivität und die Fähigkeit, belasteten Boden zu vermeiden. Ausserdem ermöglicht der Köderstreifentest mit Regenwürmern neue Informationen, wie chemische Substanzen die Bodenfunktion beeinträchtigen, und ist einfach, schnell und preiswert durchführbar. „Mit den anderen standardisierten Labormethoden ist es schwierig, funktionelle Antworten zu erhalten, daher liefert uns die Kombination von Köderstreifentest und Regenwurmtest wichtige zusätzliche Informationen“, betont Sophie Campiche. Die Messung der Frassaktivität von Regenwürmern im Labor mit dem Köderstreifentest ist also ein vielversprechendes Werkzeug zur Risikobewertung von Chemikalien, das andere Tests sinnvoll ergänzen kann.

 

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