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Neues Biomonitoringsystem für Gewässer

23. Mai 2017, Thema: Sedimentökotoxikologie Aquatische Ökotoxikologie

Neues Biomonitoringsystem für Gewässer

Biotests mit ganzen Organismen, die im Feld eingesetzt werden können, stellen eine direkte Verbindung zwischen Umweltbelastungen und biologischen Effekten her. Das Oekotoxzentrum hat ein neues System mit Zuckmücken entwickelt, das die Belastung von Schwebstoffen misst.

Biotests ergänzen immer mehr die chemische Analytik, um die Belastung von Gewässern und Abwasser zu überwachen. Es bleibt jedoch schwierig, eine direkte Verbindung zwischen Schadstoffbelastungen und Effekten in Ökosystemen herzustellen. In situ Biotests mit Organismen in Käfigen können hier weiterhelfen. Daher hat das Oekotoxzentrum ein neues System mit Zuckmücken entwickelt, das es möglich macht, die Entwicklung und Vermehrung der Tiere zu beobachten. Projektpartner bei der Entwicklung waren Irstea (F) und die Universität Paris-Saclay (F). Das System erlaubt es, Zuckmückenlarven in situ gegenüber Schwebstoffen im Wasser
auszusetzen. Die adulten Zuckmücken können das System nach dem Schlüpfen nicht verlassen. „So kann der komplette Lebenszyklus der Zuckmücken beobachtet und auch ihre Vermehrung untersucht werden“, erklärt Benoît Ferrari vom Oekotoxzentrum.

Zuckmücken als Modelltiere

Sedimentlebende Organismen wie Zuckmücken sind gut geeignet, um die Gewässerqualität und den Einfluss von Partikel-gebundenen Schadstoffen zu bewerten. Feinsedimente sammeln Belastungen über eine längere Zeit und stellen eine Quelle für sekundäre Belastungen dar – besonders Schwebstoffe können entscheidend zur Verschlechterung der Wasserqualität beitragen. Zuckmücken machen eine komplette Metamorphose durch: Sie legen ihre Eier an die Wasseroberfläche ab. Die geschlüpften Larven wandern zur Sedimentoberfläche, wo sie sich bis zur Metamorphose und dem Schlüpfen aus der Puppe (Emergenz) von frisch abgelagertem Detritus ernähren. Daher kommen Zuckmücken in verschiedenen Lebensphasen mit Schadstoffen aus dem freien Wasser, dem Porenwasser und dem Sediment in Berührung. Die Larven ernähren sich von abgelagertem Detritus in der obersten Sedimentschicht, der die wichtigste Expositionsroute für Schadstoffe darstellt. Die Tiere werden in verschiedenen validierten Toxizitätstests eingesetzt und können über die Messung von Vermehrungs-Endpunkten auch endokrine Effekte bewerten.

Effekte auf das Geschlechterverhältnis?

Ein Feldversuch an zwei Standorten in Frankreich zeigte, dass die Tiere gut im Käfig überlebten und dass die Wachstumsrate der Tiere reproduzierbar war. „Weil es schwierig ist, Effekte durch Schadstoffe von Effekten durch Nahrungsmangel zu unterscheiden, haben wir die Tiere als Ergänzung zu den Schwebstoffen mit zusätzlicher Nahrung versorgt“, sagt Benoît Ferrari. Die Forschenden wendeten mathematische Modelle an, die im Labor entwickelt worden waren, um das Wachstum und die Emergenz der Zuckmücken im Fluss bei den gemessenen Temperaturen vorherzusagen. Die im Feld gefundenen Wachstumsraten stimmten gut mit den modellierten Wachstumsraten überein. Dies deutet darauf hin, dass die Standorte selbst keinen Einfluss auf die Entwicklung der Zuckmücken hatten. An einem Standort war ein Effekt auf das Geschlechtsverhältnis zwischen geschlüpften Männchen und Weibchen zu sehen – der Anteil der Weibchen betrug dort 60% statt den üblichen 50%. Es sollte abgeklärt werden, wie gross die Variabilität des Geschlechterverhältnisses an nicht belasteten Standorten ist.

„Wir haben ein vielversprechendes neues System entwickelt, um die Qualität von aquatischen Ökosystemen zu bewerten“, sagt Benoît Ferrari. Schwebstoffe reflektieren immer den aktuellen Belastungszustand eines Gewässers und stellen eine Grundlage für die Nahrungskette dar: Da Metalle und hydrophobe organische Schadstoffe an Partikel binden, kann mit dem System der Einfluss dieser Schadstoffe bewertet werden. Schwebstoffe sind allerdings sehr empfindlich, so dass es schwierig ist, sie zu sammeln und in ökotoxikologischen Laborexperimenten zu bewerten. Das neue Biomonitoringsystem mit Zuckmücken umgeht dieses Problem. Ausserdem werden nicht nur akute Effekte gemessen sondern es können auch langfristige Auswirkungen auf die Entwicklung und Vermehrung der  Zuckmücken untersucht werden. Zusätzliche subletale Endpunkte können mit Hilfe von Biomarkern einfach in die Messungen integriert werden. 

Mehr Informationen

Ferrari, B.J.D., Faburé, J. (2017) Field assessment of reproduction-related traits of chironomids using a newly developed emergence platform (E-board). Ecotoxicology and Environmental Safety 137, 186–193

Download von Sciencedirect

Kontakt

Dr. Benoît Ferrari
Dr. Benoît Ferrari E-Mail Kontakt Tel. +41 (0) 21 693 7445 / +41 (0) 58 765 5373

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