Zurück zur Übersicht
Zuckmücken als PCB-Finder

22. Mai 2018, Thema: Sedimentökotoxikologie

Zuckmücken als PCB-Finder

Zuckmückenlarven wurden verwendet, um die Sanierung einer PCB-Altlast zu begleiten, und zwar sowohl im Feld unter Freilandbedingungen als auch im Labor unter kontrollierten Bedingungen. Die Wasserqualität verbesserte sich wesentlich, doch ein Teil der Belastung blieb.

Der Lac de Bourget in Savoie ist nicht nur der grösste See Frankreichs, sondern auch einer der Seen Europas, die am stärksten mit polychlorierten Biphenylen (PCB) belastet sind. Ursache dafür ist eine historische Belastung im Zufluss Tillet durch eine Fabrik, die elektrische Transformatoren herstellte. 2008 verboten die lokalen Behörden den Verzehr der im See gefangenen Fische. Diese enthielten nämlich im Muskelgewebe PCB-Konzentrationen, die 10-mal höher waren als in der EU erlaubt. Im Rahmen einer Sanierung wurde das Bett der Tillet 2013/2014 ausgebaggert und teilweise umgeleitet, so dass heute deutlich weniger PCB in den Lac de Bourget gelangen. Ein grosses Forschungsprojekt unter Leitung der Université de Savoie Mont-Blanc wollte verfolgen, wie schnell die Konzentration im Seesediment und den Fischen wieder auf normale Werte zurückgeht – auch das Oekotoxzentrum war beteiligt.  PCB konzentrieren sich in Schwebstoffen und Sedimenten und können so Sediment-lebende Organismen beeinträchtigen. Diese erfüllen im See so wichtige ökologische Funktionen wie den Abbau und die Rezyklierung von Nährstoffen und sind eine wichtige Nahrungsgrundlage für Fische, an die sie PCB weitergeben. Besonders geeignet, um die Sedimentqualität zu bewerten, sind Zuckmücken: Diese Insekten verbringen den grössten Teil ihres Lebens als Larven im Wasser im direkten Kontakt mit Sedimenten und Schwebstoffen.

Zuckmückenlarven im Feld exponiert

Die Wissenschaftler arbeiteten mit zwei verschiedenen Versuchsansätzen: im Feld und im Labor. Im Feldansatz setzten sie Zuckmückenlarven in Käfigen im Lac de Bourget 5-7 Tage aus, sowohl direkt auf den Sedimenten als auch in der Wassersäule, wo sie nur den Schwebstoffen ausgesetzt waren, und bestimmten anschliessend den PCB-Gehalt der Tiere. Vor der Sanierung reicherten die Organismen im Mündungsbereich der Tillet die PCB im Vergleich zu Kontrolltieren 1000-fach an. Die PCB-Konzentration in Tieren an einem anderen Standort, der nicht durch die Tillet beeinflusst wurde, war 500-mal niedriger. Die Sedimente dort waren also im Vergleich zum Mündungsbereich nur schwach mit PCB belastet. Die Tiere in Käfigen, die nur Schwebstoffe enthielten, reicherten fast genauso viel PCB an wie Tiere in Käfigen, die Schwebstoffe und Sedimente erhielten. Es scheint also, dass die Zuckmücken PCB hauptsächlich über Schwebstoffe aufnehmen, die durch den Fluss in den Lac de Bourget transportiert werden. Nach der Sanierung reicherten die Zuckmücken im Mündungsbereich 200-mal weniger PCB an als vor der Sanierung, aber immer noch mehr als am Kontrollstandort.

Spezielle Sammelfallen für Schwebstoffe

In einem zweiten Versuchsansatz wurden Zuckmückenlarven im Labor unter kontrollierten Bedingungen gegenüber gesammelten Schwebstoffen aus dem Lac de Bourget exponiert. Um Schwebstoffe über einen Zeitraum von mehreren Monaten zu sammeln, entwickelten die Wissenschaftler spezielle Fallen. So könnten Belastungen über einen längeren Zeitraum als in den Feldversuchen erfasst werden. «Wir haben Schwebstoffe gesammelt und Sediment entnommen und anschliessend im Labor chemisch auf PCB analysiert», erklärt Benoît Ferrari vom Oekotoxzentrum. Das System wurde nach der Sanierung der Tillet getestet. Die PCB-Konzentrationen im Mündungsbereichs der Tillet war auch nach der Sanierung noch erhöht. Zuckmücken wurden nun im Labor 7 Tage lang gegenüber den gesammelten Schwebstoffen ausgesetzt. Die PCB-Konzentration in diesen Zuckmücken war zwar gegenüber dem Referenz-Standort immer noch 2-6-fach erhöht, aber deutlich geringer als in den Feldversuchen vor der Sanierung. Es ist also zu einer Verbesserung der Wasserqualität gekommen. Die gemessenen Konzentrationen in den Larven, die direkt gegenüber dem Sediment ausgesetzt wurden, zeigen aber auch, dass die Belastung mit PCB für die Zuckmücken immer noch vorhanden und bioverfügbar ist. Die Tiere sind also weiterhin eine PCB-belastete Nahrungsquelle für Fische.

Mehr Informationen

Ferrari, B.J.D., Cottin, N., Casado-Martinez, C., Naffrechoux, E., 2017. Développement de systèmes in situ et ex-situ d’exposition aux matières en suspension et aux sédiments contaminés aux PCB utilisant la larve de Chironomus riparius

Download Bericht

Kontakt

Dr. Benoît Ferrari
Dr. Benoît Ferrari E-Mail Kontakt Tel. +41 (0) 21 693 7445 / +41 (0) 58 765 5373

Oekotoxzentrum News abonnieren


RSS News per RSS Feed abonnieren