
13. Mai 2025, Thema: Aquatische Ökotoxikologie
Bewertung der Wasserqualität im Genfersee
Biotests sind auch in Seen eine wichtige Ergänzung zur chemischen Analytik, wenn die Gewässerqualität bestimmt werden soll. Der Einsatz von zahlreichen Biotests im Genfersee zeigt, dass Tests mit Fischembryonen besonders empfindlich reagieren. Reportergentests lieferten ebenfalls wertvolle Hinweise auf die Gewässerbelastung.
Effektbasierte Methoden werden immer häufiger zur Gewässerbewertung eingesetzt, da sie die chemische Analytik ergänzen und wichtige zusätzliche Informationen liefern: So erkennen sie die Toxizität unbekannter Stoffe und Stoffgemische und geben Informationen über mögliche Wirkungen auf Organismen im Ökosystem. Das Oekotoxzentrum hat eine Batterie von praxistauglichen Biotests zur Beurteilung der Gewässerqualität vorgeschlagen und diese bereits an zahlreichen Fliessgewässern angewendet. «Bis jetzt gab es allerdings kaum Daten zur Anwendung solcher Testsysteme in Seen», erläutert Projektleiterin Cornelia Kienle. «Deswegen wollten wir herausfinden, ob sich die vorgeschlagenen Tests auch zur Bewertung des Genfersees eignen.»
Dazu untersuchten die Forschenden 2022 drei Standorte, die unterschiedlich stark chemisch belastet sind: Nämlich die Bucht von Vidy, in die eine Abwasserreinigungsanlage (ARA) einleitet, das Dranse-Delta, ein beliebtes Naturschutzgebiet zwischen Industrieanlagen und ARA, und eine Probenahmestelle in der Seemitte. Projektpartner war die CIPEL, die internationale Kommission zum Schutz des Genfersees.
Biotests ergänzen sich gegenseitig
Die Wasserproben der Standorte wurden mit zahlreichen Biotests untersucht: Neben Reportergentests mit menschlichen Zelllinien (CALUX® Panel), die die Zellreaktion auf Fremdstoffe, Zelltoxizität, oxidativen Stress und hormonelle Wirkungen erfassen, kam auch der Ames-Fluktuationstest zur Beurteilung von Mutagenität zum Einsatz. Ein kombinierter Algentest diente dem Nachweis der Algentoxizität. Darüber hinaus wurden Toxizitätstests an Muschelkrebsen, Wasserflöhen und Fischen durchgeführt – bei den Fischen sowohl mit einer Kiemenzelllinie als auch mit dem Fischembryo-Toxizitätstest. Um das potenzielle Risiko für Wasserorganismen zu bewerten, wurden die Effekte in den Biotests mit testspezifischen Schwellenwerten verglichen. Diese geben an, welche Reaktion im Test noch akzeptabel ist und ab wann Effekte auf Organismen in der Umwelt nicht mehr ausgeschlossen werden können.
Hohe Toxizität im Fischembryotest
Bei drei der Tests wurden die definierten Schwellenwerte überschritten – an jedem untersuchten Standort mindestens einmal. In der Bucht von Vidy zeigten die Reportergentests erhöhte Werte für oxidativen Stress und östrogene Aktivität. Die Proben vom Dranse-Delta und der Seemitte führten zum Tod von bis zu 50 % der Fischembryonen. «Wir waren überrascht, da wir besonders bei der Probe von der Seemitte keine Effekte erwartet hatten», sagt Cornelia Kienle. «Deshalb haben wir im Folgejahr nochmals alle drei Standorte untersucht». Die starke Toxizität von 2022 liess sich jedoch nicht bestätigen: Die Forschenden fanden 2023 deutlich geringere Effekte auf die Sterblichkeit der Embyronen, dafür beobachteten sie in der Bucht von Vidy Effekte auf die Entwicklung der Tiere.
Chemische Analytik erklärt nur einen Teil der Toxizität
Um mögliche Ursachen für die toxischen Effekte zu finden, verglichen die Forschenden die ökotoxikologischen Risiken aus den Biotests mit den Daten aus den chemischen Analysen. Für die Pflanzen und die Wirbellosen stimmten diese beiden Ansätze gut überein und ergaben jeweils kein Risiko. Bei den Wirbeltieren war dies nicht immer so: Zwar wurde 2023 in der Bucht von Vidy Ibuprofen in Konzentrationen oberhalb des chronischen Qualitätskriteriums nachgewiesen – und trug vermutlich zu den toxischen Effekten im Fischembryotest bei. Die ausgeprägte Toxizität im Fischembryotest von 2022 liess sich jedoch nicht durch den Nachweis toxischer Stoffe in den chemischen Analysen erklären. Es ist möglich, dass andere, nicht gemessene Verbindungen für diese verantwortlich waren.
«Die Resultate aus dem Genfersee stimmen gut mit unseren Daten aus Fliessgewässern überein», sagt Cornelia Kienle. «Auch dort hat der Fischembryotest am empfindlichsten regiert.» Sie betont jedoch, dass es immer noch notwendig sei, mehr Informationen zu den eingesetzten Biotests und ihrer genauen Aussagekraft zu sammeln.
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Wissenschaftsbericht CIPEL 2024