 
        Pestizideinträge in Schweizer Bäche
In einem umfassenden Screening in fünf Schweizer Fliessgewässern wurden 135 Pestizide nachgewiesen, von denen zahlreiche die ökotoxikologischen Qualitätskriterien überschritten. An vier Standorten bestand ein hohes, über mehrere Wochen andauerndes Risiko für Gewässerorganismen, für das vor allem Insektizide verantwortlich waren. Der Eintrag über die Abwasserreinigungsanlagen trug ebenfalls zur Pestizidbelastung bei.
Pestizide haben vielfältige Einsatzbereiche: So werden sie als Pflanzenschutzmittel (PSM), Biozide oder Tierarzneimittel sowohl der Landwirtschaft als auch im Siedlungsbereich verwendet. Je nach Einsatzbereich können sie über verschiedene Eintragspfade in die Gewässer gelangen und so Gewässerorganismen und Trinkwasserressourcen gefährden. Forschende von der Eawag, der VSA-Plattform Wasserqualität und dem Oekotoxzentrum haben sich zusammengetan, um fünf mittelgrosse Fliessgewässer umfassend auf Pestizide zu untersuchen und zudem näher zu betrachten, über welche Pfade diese ins Gewässer gelangen. Die Untersuchungen wurden im Rahmen einer Spezialkampagne der Nationalen Beobachtung Gewässerqualität (NAWA) 2023 durchgeführt, und zur Eingrenzung der Quellen wurden Daten aus dem langjährigen NAWA-Fliessgewässermonitoring ausgewertet.
Pestizid-Risiken hauptsächlich durch Insektizide
Insgesamt bestätigten sich die Ergebnisse von vorhergegangenen Kampagnen: Von den 253 untersuchten Pestizid-Wirkstoffen wurden 135 nachgewiesen, im Mittel 32 Substanzen pro Probe. 23 dieser Stoffe überschritten in mindestens einer Probe die ökotoxikologischen Qualitätskriterien, so dass schädliche Wirkungen auf Wasserorganismen nicht ausgeschlossen werden können. An 4 der 5 Standorte wurde ein hohes, über mehrere Wochen andauerndes Risiko für Gewässerorganismen festgestellt.
Für das Risiko hauptsächlich verantwortlich waren Insektizide, die die ökotoxikologischen Qualitätskriterien teils um mehr als das Zehnfache überschritten. 80 % der Überschreitungen wurden durch fünf Insektizide verursacht: nämlich Fipronil sowie die Pyrethroide Cypermethrin, Deltamethrin, lambda-Cyhalothrin und Permethrin. Auch Herbizide trugen zum beobachteten Risiko bei. Von den 23 kritischen Pestiziden sind bisher erst sechs mit risikobasierten Grenzwerten in der Gewässerschutzverordnung verankert, von den fünf besonders riskanten Insektiziden nur eines.
Vielfältige Eintragswege in Gewässer
Um den Eintrag von Pestiziden in die Gewässer reduzieren zu können, muss man wissen, aus welchen Anwendungen sie stammen und über welche Wege sie in die Gewässer gelangen. Im Einzugsgebiet der fünf untersuchten Fliessgewässer gibt es jeweils eine Abwasserreinigungsanlage ohne Reinigungsstufe zur Entfernung von Mikroverunreinigungen. In deren Ablauf wurden ebenfalls Proben genommen, um zu quantifizieren, welcher Anteil der Pestizide über Abwasserreinigungsanlagen in die untersuchten Gewässer eingetragen wird.
Das ermittelte Bild ist komplex: Die kritischen Insektizide wurden sowohl diffus als auch über Abwasserreinigungsanlagen in die Gewässer eingetragen. Diese Stoffe werden nicht nur als PSM, sondern auch als Biozide im Aussenbereich oder im Stall und als Tierarzneimittel zur Behandlung von Nutz- und Haustieren eingesetzt. Solche Einsatzbereiche können zum Eintrag über Abwasser führen. Bei den kritischen Herbiziden, die nur als PSM verwendet werden, spielte der Eintrag über Abwasserreinigungsanlagen eine weniger bedeutende Rolle als bei den Insektiziden. Auch wenn Herbizide meist diffus, beispielsweise über Abschwemmung vom Feld, eingetragen werden, können in gewissen Fällen auch punktuelle Einträge wie über falsch angeschlossene Waschplätze von PSM-Spritzgeräten zu Einträgen in die Gewässer führen.
Auffallend war die Zahl der Überschreitungen durch Fipronil, ein Insektizid, das in der Schweiz in erster Linie als Tierarzneimittel zur Behandlung von Haustieren gegen Zecken und Flöhe eingesetzt wird. Für solche Stoffe ist bis jetzt für die Zulassung keine Umweltrisikobewertung vorgeschrieben. «Um die Anwendung zu optimieren und Risiken zu minimieren, wäre es sinnvoll, dies zu ändern», sagt Marion Junghans vom Oekotoxzentrum. Zudem verdient die Anwendung von Pyrethroiden als Biozide und Tierarzneimittel mehr Beachtung, da über deren Eintragswege bis jetzt wenig bekannt ist.
Publikationen
Schorr, J., Ganz, V., Luong, K., Ceppi, E., Longree, P., Beck, B., Singer, H., Barth, S., Doppler, T., Junghans, M., & Holmes, B. (2025). Pestizideinträge in Fliessgewässer. NAWA Spez 2023: Wirkstoffe, Ökotoxikologisches Risiko, diffuse Eintragspfade vs. Einträge aus ARA. Aqua & Gas, 105(10), 70-78. Institutional Repository: https://www.dora.lib4ri.ch/eawag/islandora/object/eawag:35500
Barth, S., & Doppler, T. (2025). Ursachen der Pestizid-Verunreinigung. Mögliche Quellen und Eintragswege in Fliessgewässer eingrenzen. Aqua & Gas, 105(10), 80-88. Institutional Repository: https://www.dora.lib4ri.ch/eawag/islandora/object/eawag:35502
Barth, S., Doppler, T., Ganz, V., Luong, K., & Singer, H. (2025). Fipronil belastet die Fliessgewässer. Antiparasitäre Tierarzneimittel für Heimtiere als wahrscheinlichste Quelle. Aqua & Gas, 105(10), 90-95. Institutional Repository : https://www.dora.lib4ri.ch/eawag/islandora/object/eawag:35504
Kontakt
Ökotoxikologie: Marion Junghans marion.junghans@oekotoxzentrum.ch
Chemische Analytik: Heinz Singer heinz.singer@eawag.ch
Eintragswege und NAWA-Messnetz: Sofia Barth sofia.barth@vsa.ch
