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Warum verschwanden die Forellen im Ruisseau des Marais? Eine Spurensuche mit ökotoxikologischen Methoden

21. Mai 2025, Thema: Aquatische Ökotoxikologie Sedimentökotoxikologie

Warum verschwanden die Forellen im Ruisseau des Marais? Eine Spurensuche mit ökotoxikologischen Methoden

Im Ruisseau des Marais im Kanton Genf ist die Zahl der Bachforellen massiv eingebrochen. Das Oekotoxzentrum ist den Ursachen mit einer Vielzahl von ökotoxikologischen Wasser- und Sedimenttests und Biomarkern auf den Grund gegangen.

Seit den 1980er Jahren wird in der Schweiz ein Rückgang der Fischpopulationen beobachtet – in manchen Regionen um bis zu 60 %. Zwar wurde die klassische Gewässerbelastung mit fischtoxischen Substanzen wie Ammonium und Nitrat durch den Ausbau der Abwasserreinigungsanlagen reduziert. Dennoch nehmen Fischkrankheiten zu, und Mikroverunreinigungen aus diffusen Quellen wie Landwirtschaft, Strassen oder Baustellen stellen neue Herausforderungen dar.

Ein besonders ausgeprägtes Beispiel liefert der Ruisseau des Marais, ein kleiner Bach im Kanton Genf. Dort wurde im Oktober 2022 nur noch eine einzige Bachforelle entdeckt – trotz Fischbesatz im Frühjahr. Zum Vergleich: 2016 waren hier noch 42 Bachforellen und 14 Elritzen gezählt worden.

Ganzheitliche Gewässerbewertung durch biologische Tests

Um den Ursachen für diesen drastischen Rückgang auf den Grund zu gehen, hat das Oekotoxzentrum im Auftrag des Wasseramts des Kantons Genf eine umfassende Untersuchung durchgeführt. Dabei kam eine Vielzahl ökotoxikologischer Methoden zum Einsatz – von Biotests mit Wasser- und Sedimentproben über Biomarker bis hin zu Untersuchungen der ökologischen Gewässerqualität anhand von Oligochaeten-Gemeinschaften.

«Diese „umweltdetektivischen“ Methoden erlauben es uns, die biologische Wirkung einer Belastung auf Fische und Organismen in ihrer Nahrungskette direkt nachzuweisen», erklärt Co-Projektleiterin Anne-Sophie Voisin. Besonders wichtig: Auch Sedimentproben wurden untersucht – ein entscheidender Schritt für die ganzheitliche Bewertung der Gewässerqualität. Ausser dem Ruisseau des Marais wurden zwei Vergleichsstandorte berücksichtigt: nämlich die Drize, wo die Forellenpopulation stabil blieb, und ein Ort unterhalb des Zusammenflusses der beiden Bäche.

Sedimente tragen zu toxischen Wirkungen bei

«Aus ökotoxikologischer Sicht stufen wir die Gewässerqualität an allen drei Standorten als gut bis mittel ein», fasst Anne-Sophie Voisin zusammen. Dennoch zeigten mehrere Tests Effekte oberhalb ihrer Wirkschwellen. Die Sedimente aus dem Ruisseau des Marais führten in Tests mit Zuckmücken zu einer hohen Mortalität und beeinträchtigten auch die Oligochaeten-Gemeinschaften. Eine Vergleichsprobe aus der Drize war ebenfalls nicht unbelastet und führte zu einer hohen Sterblichkeit bei Muschelkrebsen. «Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Verstopfung des Bachbetts im Ruisseau des Marais durch Feinsedimente, die die Fortpflanzung der Forellen behindert», so Anne-Sophie Voisin.

Auch die Wasserproben waren belastet. Obwohl die chemische Analyse keinen einzelnen Schadstoff über einem kritischen Grenzwert fand, war das Mischungsrisiko im Ruisseau des Marais höher als an den beiden anderen Standorten. Zellkulturtests wiesen an allen drei Standorten auf Fremdstoffe und oxidativen Stress hin. Die Proben aus dem Ruisseau des Marais hemmten zudem das Algenwachstum.

Die wenigen verbliebenen Bachforellen im Ruisseau des Marais waren alle von der Proliferativen Nierenkrankheit (PKD) befallen. Diese hängt stark von der Wassertemperatur ab, kann aber durch eine schlechte Wasserqualität verschlimmert werden. Zusätzlich deuten Biomarker-Analysen bei den Forellen aus dem Ruisseau des Marais auf eine Belastung mit Metallen sowie auf Unterschiede im Schilddrüsensystem und Lipidstoffwechsel hin.

Kombination von Faktoren wahrscheinlich

Keine einzelne Ursache erklärt den massiven Rückgang der Bachforellen im Ruisseau des Marais vollständig. Wahrscheinlich ist eine Kombination von Faktoren verantwortlich:

  • schlechtere Sedimentqualität und Verstopfung durch Feinsedimente;
  • Wasserqualität, die in biologischen Tests auf Belastungen hindeutet;
  • Auftreten der PKD, möglicherweise verstärkt durch Wasserbelastung.

«Die Studie zeigt, wie wichtig es für eine ganzheitliche Gewässerbewertung ist, chemische Analytik mit Biotests und Biomarkern zu kombinieren», sagt Anne-Sophie Voisin. «Biologische Tests können auch dann Hinweise liefern, wenn die chemische Analytik kein Risiko anzeigt oder nicht empfindlich genug ist.»

Bericht

Voisin, A-S., Kienle, C., et al. (2024). Évaluation écotoxicologique de la qualité de l'eau et du sédiment du ruisseau des Marais, de la Drize et de leur confluence

Download Bericht

Kontakt

Dr. Cornelia Kienle
Dr. Cornelia Kienle E-Mail Kontakt Tel. +41 58 765 5563

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