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10 Jahre engagiert für die Ökotoxikologie

25. Oktober 2018, Thema: Aquatische Ökotoxikologie Bodenökotoxikologie Sedimentökotoxikologie Risikobewertung

10 Jahre engagiert für die Ökotoxikologie

Das Oekotoxzentrum hat dazu beigetragen, dass ökotoxikologische Methoden in der Schweiz regelmässig zur Bewertung der Umweltqualität eingesetzt werden. Auch bei der Erweiterung der Abwasserreinigungsanlagen, um Mikroverunreinigungen zu entfernen, und der Einführung effektbasierter Grenzwerte für Schadstoffe in Gewässern war es beteiligt. 

Da immer mehr schädliche Stoffe in die Umwelt gelangen und die Funktion der Ökosysteme gefährden, wird es immer wichtiger, die Wirkung dieser Stoffe zu verstehen und zu beurteilen. Dies betrifft nicht nur Behörden, die für die Bewertung des chemischen Risikos und den Umweltschutz verantwortlich sind, sondern auch Privatunternehmen, die mit der Regulierung von schädlichen Chemikalien konfrontiert werden. Seit 2008 untersucht das Oekotoxzentrum, wie Chemikalien die Umwelt beeinflussen, entwickelt Methoden zur ihrer Bewertung und gibt sein Wissen darüber weiter. 

Das Oekotoxzentrum wurde im Auftrag von Bundesrat und Parlament als unabhängige Institution im ETH-Bereich gegründet – Anstoss zur Gründung hatte eine Motion der Grünen Nationalrätin Maya Graf gegeben. Das Zentrum sollte die Zukunft der praxisrelevanten Forschung, Dienstleistung und Weiterbildung im Bereich Ökotoxikologie sichern und einen Teil der Lücke schliessen, die nach der Schliessung des Instituts für Toxikologie in Schwerzenbach im Jahr 2001 entstanden war. Heute umfasst das Oekotoxzentrum-Team ungefähr 20 Personen, die sich auf seine beiden Standorte an der Eawag in Dübendorf, mit der das Zentrum auch administrativ verbunden ist, und der EPFL verteilen. Während sich die Mitarbeitenden in Dübendorf vor allem mit aquatischer Ökotoxikologie beschäftigen, liegt der Fokus in Lausanne auf Boden- und Sediment-Ökotoxikologie. 

Fast alle Projekte führt das Zentrum in Zusammenarbeit mit externen Partnern aus Bundesbehörden, kantonalen Behörden, akademischen Forschungsgruppen und Privatunternehmen durch. „Einer der wichtigsten Bereiche unserer Forschung ist die Validierung und Standardisierung von Biotests für die Überwachung der Wasser-, Sediment- und Bodenqualität“, erklärt die langjährige Leiterin Inge Werner. „Biotests sind unentbehrlich, wenn wir die toxischen Effekte von Chemikaliengemischen, die in der Umwelt die Norm sind, integrativ messen wollen. Nur mit ihnen können wie die Auswirkungen von Chemikalien auf ein Ökosystem umfassend abschätzen. Auch ganz unbekannte Gemische, wie sie zum Beispiel aus Baumaterialien ausgewaschen werden, können wir testen und so die Auswahl der umweltfreundlichsten Produkte ermöglichen.“ In den letzten 10 Jahren hat das Oekotoxzentrum hier in vielen Bereichen wichtiges erreicht. 

Überwachung der Wasserverschmutzung aus Abwasserreinigungsanlagen

Das Oekotoxzentrum setzt regelmässig Biotests ein, um Abwasserproben ökotoxikologisch zu bewerten und erweiterte Behandlungstechniken zu beurteilen. So hat es im Projekt "Strategie Micropoll" ausgewählte Biotests zur Überwachung von Effekten im gereinigten Abwasser eingesetzt. Damit trug das Zentrum zur Verabschiedung einer neuen Verordnung bei, dank der viele Schweizer Abwasserreinigungsanlagen (ARA) in Zukunft durch um eine Behandlung mit Ozon oder Aktivkohle erweitert werden. Das Oekotoxzentrum hat auch einen Leitfaden erarbeitet, um die Qualität von Abwasser-belasteten Fliessgewässern mit Hilfe von Biotests zu beurteilen, die die Wirkung von Östrogenen und Herbiziden messen. 

Überwachung der Wasserverschmutzung aus diffusen Quellen

Viele Mikroverunreinigungen gelangen über Sprühdrift aus der Landwirtschaft oder über atmosphärischen Eintrag in Oberflächengewässer. Das Oekotoxzentrum beteiligte sich 2015 und 2017 an speziellen Untersuchungen im Programm zur Nationalen Beobachtung der Oberflächengewässerqualität (NAWA SPEZ) des Bundesamts für Umwelt (BAFU) und der kantonalen Behörden. Die Untersuchungen ergaben, dass kleine Schweizer Bäche in Landwirtschaftsgebieten viele Pestizide in Konzentrationen enthalten, die sowohl den aktuell geltenden numerische Anforderungswert von 0,1 μg/l als auch die zukünftig vorgesehenen ökotoxikologisch basierten Qualitätskriterien überschreiten. Die Wissenschaftler stellten ein erhebliches ökotoxikologisches Risiko ohne Erholungszeiten für die Wasserorganismen fest. 

Anleitung zur Überwachung der Sedimentqualität

Sedimente können persistente Schadstoffe wie z.B. Schwermetalle, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und polychlorierte Biphenyle adsorbieren und so für Oberflächengewässer als langfristiges Schadstoffreservoir dienen. In der Schweiz gibt es bisher keine harmonisierten Methoden zur Beurteilung der Sedimentqualität. Deshalb arbeitet das Oekotoxzentrum zusammen mit dem BAFU an einem "Sedimentmodul" für das "Modul-Stufen-Konzept". Dieses soll eine umfassende Methode zur ökotoxikologischen Bewertung der Sedimentqualität etablieren, die die Probenahme, Sedimentqualitätsstandards für prioritäre Chemikalien sowie die Anwendung von Biotests und Gemeinschaftsindizes umfasst. 

Förderung der ökotoxikologischen Bewertung von Böden

Zahlreiche Böden enthalten erhöhte Konzentrationen an Schadstoffen, die Bodenorganismen schädigen können. Das beeinträchtigt so wichtige ökologische Bodenfunktionen wie Nährstoffversorgung, Wasserspeicherung und Wasserreinigung und reduziert die Bodenfruchtbarkeit. Das Oekotoxzentrum hat sich daher zum Ziel gesetzt, Konzepte und Empfehlungen zur Bewertung der Bodenqualität mit Biotests zu entwickeln. Unter den Biotests hat sich der Köderstreifentest als besonders vielversprechend erwiesen, den das Oekotoxzentrum in mehreren Projekten z.B. auf Landwirtschafsflächen und Schiessständen erprobt und validiert hat. Ausserdem wurden ein Reproduktionstest mit Springschwänzen und ein Verhaltenstest mit Regenwürmern eingesetzt, um z.B. die Wirkung von Holzschutzmitteln auf Bodenorganismen zu untersuchen. 

Ökotoxikologische Methoden für das Umweltmonitoring

Standardisierte Richtlinien sind unerlässlich, um Biotests in der Regulatorik anzuwenden. Es gibt eine Reihe von standardisierten Biotests, die seit langem zur Stoffregistrierung oder zur Wasser- und Sedimentüberwachung  eingesetzt werden (meistens in den USA und Kanada). Aber viele vielversprechende in-vitro-Tests – besonders solche zum Nachweis spezifischer Toxizitätsmechanismen – sind noch nicht standardisiert. Das Oekotoxzentrum beteiligt sich aktiv der Standardisierung von Biotests im Rahmen der International Standardisation Organisation (ISO) und der Deutschen Industrienorm (DIN). Dazu führt es Laborexperimente zur Optimierung der Tests durch, nimmt an internationalen Ringversuchen teil und arbeitet in Expertengruppen mit. Bisher wurden drei ISO-Normen zur Messung der Östrogenität entwickelt. „Ausserdem wird momentan ein Standard für einen verbesserten Wachstumstest mit Algen erstellt, und wir haben eine Initiative für einen neuen Standard für die Messung der Photosystem II-Hemmung durch herbizid-wirkende Stoffe gestartet“, so Inge Werner. 

Retrospektive Risikobewertung

Um das Risiko von Chemikalien auf der Grundlage von bekannten Toxizitätsdaten zu bewerten, werden effekt-basierte Qualitätskriterien als Schwellenwerte angewendet. Das Oekotoxzentrum hat in Zusammenarbeit mit dem BAFU besonders bedenkliche Chemikalien priorisiert und für diese nach EU-Richtlinien Qualitätskriterien abgeleitet. Bisher hat das Oekotoxzentrum Wasserqualitätskriterien für 87 organische Mikroverunreinigungen abgeleitet, von denen 55 in der revidierten Schweizer Gewässerschutzverordnung 2018 umgesetzt werden sollen. 

Ein wichtiger Schwerpunkt des Oekotoxzentrums ist die Risikobewertung von chemischen Gemischen. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Projektpartnern entwickelte es fortschrittliche Konzepte und Methoden zur Bewertung der Gemischtoxizität in Oberflächengewässern. Mehrere Schweizer Kantone haben die Methoden bereits übernommen. Zusammen mit internationalen Partner wurde ausserdem ein neues Bewertungssystem für die Zuverlässigkeit und Relevanz von Literaturdaten zur Risikobewertung entwickelt. Die Methode wird nun auch im Rahmen der EU-Wasserrahmenrichtlinie umgesetzt. 

Wissensvermittlung und Beratung

Die Wissensvermittlung an Experten und die Öffentlichkeit sind wichtige Aspekte der Mission des Oekotoxzentrums. Seit seiner Gründung hat das Oekotoxzentrum 20 Fortbildungskurse veranstaltet, 41 Berichte und über 140 wissenschaftliche Artikel veröffentlicht und Tausende von Anfragen zu verschiedenen ökotoxikologischen Themen beantwortet. Seit 2010 informieren die Oekotoxzentrum/Centre Ecotox News zweimal jährlich über die im Oekotoxzentrum durchgeführten Projekte, Neuigkeiten und Veröffentlichungen. Als Service für Umweltprofis und die interessierte Öffentlichkeit erstellt das Oekotoxzentrum ausserdem Infoblätter zu aktuellen Themen und publiziert sie auf seiner Website.  

 

Das Oekotoxzentrum geht neue Wege in der angewandten Ökotoxikologieforschung

Die Ökotoxizität von Baustoffen ist ein neues Forschungsgebiet. Das Oekotoxzentrum hat gerade zu einem Bericht des Europäischen Komitees für Normung (CEN) über die Anwendung von Biotests auf Sickerwässer aus Bauprodukten beigetragen. Ausserdem wurde gemeinsam mit der Hochschule für Technik Rapperswil die Ökotoxizität von Korrosionsschutzmitteln im Stahlwasserbau den und von Regenwasserabfluss von biozidhaltigen Fassadenputzen untersucht. Die Ergebnisse sollen zur Herstellung und Nutzung von umweltfreundlicherem Baumaterialien beitragen.

Transkription von Biomarkergenen in einheimischen Wassertieren: Im Jahr 2013 wurden Projekte zur Entwicklung von molekularen Werkzeugen zur Messung der Schadstoffwirkung von Abwasser in heimischen Bachforellen gestartet. Die zelluläre Expression von ausgewählten Biomarker-Genen konnte aussagekräftige Hinweise für die Exposition gegenüber behandeltem Abwasser geben. Momentan werden solche Biomarkergene für den einheimischen Bachflohkrebs, Gammarus fossarum, entwickelt.

DNA-Barcodierung für die Analysen von Artengemeinschaften: Die Analyse von Artengemeinschaften als Indikator der Wasserqualität braucht hochspezialisiertes Fachwissen, ist teuer und zeitaufwendig. Die Artbestimmung mit Hilfe von DNA-Barcoding ist ein wertvoller Ansatz, um die Methode zu vereinfachen. Das Oekotoxzentrum arbeitet im französisch-schweizerischen Interreg-Projekts SYNAQUA daran, molekulare Werkzeuge für das Biomonitoring von Kieselalgen- und Oligochaeten-Gemeinschaften zu entwickeln.

Bewertung der ökotoxikologischen Auswirkungen auf benthische Gemeinschaften: Noch fehlen gute Methoden zur Bewertung der ökotoxikologischen Auswirkungen von sedimentgebundenen Schadstoffen auf dort lebende Artgemeinschaften. 2017 organisierte das Oekotoxzentrum einen Workshop als Forum für Diskussionen und Informationsaustausch zwischen Wissenschaftlern, Regulierungsbehörden und anderen Interessengruppen.

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