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Ökotoxikologische Bewertung von Arzneimittel-Transformationsprodukten

22. November 2016, Thema: Aquatische Ökotoxikologie Risikobewertung

Ökotoxikologische Bewertung von Arzneimittel-Transformationsprodukten

Nicht nur Arzneimittel, sondern auch deren Transformationsprodukte können Gewässer belasten. Ihre ökotoxikologische Bewertung ist jedoch schwierig, da oft Toxizitätsdaten fehlen. In einer Fallstudie vergleicht das Oekotoxzentrum die vorhandenen Bewertungsmethoden.

In der Schweiz sind heute mehr als 8000 Arzneimittel mit mehr als 3000 Wirkstoffen zugelassen. Während der medizinischen Behandlung scheidet der Körper des Patienten einen Teil dieser Substanzen wieder aus. Abwasserreinigungsanlagen können die Stoffe nicht vollständig entfernen, so dass sie schliesslich auch in Flüsse und Seen gelangen. Dies ist bedenklich, sind die Stoffe doch biologisch wirksam und können eine Wirkung auf Vermehrung und Verhalten von Wasserorganismen haben – meist mit unbekannten Folgen. Doch es sind nicht nur die Arzneimittel selbst, die Sorge machen: Transformationsprodukte (TP) der potenten Stoffe, die im Körper, der Umwelt oder den Abwasserreinigungsanlagen entstehen, sind oft ebenfalls biologisch aktiv. Während die Ökotoxizität vieler Arzneimittel in den letzten Jahren bestimmt wurde, ist eine Bewertung der TP schwierig, denn oft fehlen die notwendigen Daten.

Wie Transformationsprodukte bewerten?

Eine neue Studie von Oekotoxzentrum und Eawag vergleicht verschiedene Methoden, um drei häufig nachgewiesene Arzneimittel und ihre fünf TP ökotoxikologisch zu bewerten – und zwar das Antidepressivum und Antiepileptikum Carbamazepin, das Antibiotikum Clarithromycin und das Antidiabetikum Metformin. Experten benutzen wenn möglich Toxizitätsdaten von Fischen, wirbellosen Tieren und Algen, um effekt-basierte Qualitätskriterien für Gewässer herzuleiten. „Unterhalb dieser Werte erwarten wir nach derzeitigem Wissensstand keine negativen Effekte bei Einzelexposition auf Wasserorganismen“, erklärt Robert Kase vom Oekotoxzentrum. Wenn keine Toxizitätsdaten für ein TP existieren, kann behelfsweise das für die Muttersubstanz bestimmte Qualitätskriterium auch für das TP verwendet werden. Alternativ können mathematische, auf der chemischen Struktur der Stoffe basierende Vorhersagemodelle verwendet werden, um das ökotoxikologische Potential für TP abzuschätzen. Ein Beispiel ist das QSAR-Modell von Escher et al. [1].

Diese Methoden wurden verwendet, um Qualitätskriterien für die untersuchten TP zu bestimmen, und ergaben zum Teil deutlich unterschiedliche Resultate. Dabei zeigten alle Methoden Vor- und Nachteile: Die ökotoxikologische, auf Effektdaten basierende Herleitung liefert nur verlässliche Qualitätskriterien, wenn genügend Toxizitätsdaten vorhanden sind. Wird das Qualitätskriterium der Muttersubstanz auch für das TP verwendet, so werden mögliche Toxizitätsunterschiede nicht erfasst. Das QSAR-Vorhersagemodell benötigt zwar keine experimentellen Toxizitätsdaten für das TP, liefert in bestimmten Fällen jedoch weniger verlässliche Ergebnisse. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn das Transformationsprodukt toxischer als die Ausgangssubstanz ist.

Mehr Daten sind gefragt

Es bleibt schwierig, Handlungsempfehlungen für die Herleitung von Umweltqualitätskriterien für TP zu geben, da die verschiedenen Ansätze wegen der schlechten Datenlage nicht ausreichend miteinander verglichen werden können. Die Fallstudie zeigt, dass für eine bessere Bewertbarkeit der Umweltrisiken von TP zunächst die Datenlage verbessert werden muss. Dies gilt sowohl für experimentelle Toxizitätsdaten, aufgrund derer Qualitätskriterien abgeleitet werden können, als auch für physikochemischen Daten, die für die Anwendung der QSAR-Methoden verwendet werden. Dabei sollten zunächst Toxizitätsdaten für besonders expositionsrelevante TP erhoben werden. Diese Daten ermöglichen dann nicht nur die Bewertung der TP. Sie liefern auch eine bessere Datengrundlage, um alternative Methoden wie die Gleichsetzungsmethode und die QSAR-Methode vergleichend zu bewerten, die bei einem Mangel an experimentellen Daten zur Anwendung kommen.

Literatur

[1] Escher, B. I., Baumgartner, R., Lienert, J., & Fenner, K. (2008). Predicting the ecotoxicological effects of transformation products. In Transformation Products of Synthetic Chemicals in the Environment (pp. 205-244). Springer Berlin Heidelberg.

Mehr Details: Riegraf, C., Fenner, K., Werner, I., Kase, R. (2017) Grenzwerte für Transformationsprodukte. Herleitung von ökotoxikologisch basierten Grenzwerten für Transformationsprodukte von Pharmazeutika: Eine Fallstudie. Aqua & Gas 2, 46-56

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