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Schützen Umweltqualitätskriterien vor der Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen?

10. Mai 2019, Thema: Aquatische Ökotoxikologie Sedimentökotoxikologie Risikobewertung

Schützen Umweltqualitätskriterien vor der Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen?

Durch die Umweltbelastung mit Antibiotika können sich vermehrt Resistenzen gegen diese Stoffe bilden. Die Vermeidung von Antibiotikaresistenzen wird bei der Herleitung von Umweltqualitätskriterien (UQK) jedoch nicht berücksichtigt. Das Oekotoxzentrum hat für acht Stoffe untersucht, ob die verfügbaren UQK auch vor der Entstehung von Antibiotikaresistenzen im Gewässer schützen.

Um die Toxizität von Chemikalienmischungen in der Umwelt bewerten zu können, muss man zunächst die individuelle Giftigkeit der Stoffe kennen. Daher hat das Oekotoxzentrum für zahlreiche Stoffe effektbasierte Grenzwerte abgeleitet, die Umweltqualitätskriterien (UQK, www.oekotoxzentrum.ch/expertenservice/qualitaetskriterien/). Oberhalb dieser Konzentrationsschwellen können negative Wirkungen auf Gewässerorganismen nicht ausgeschlossen werden. Unter den Stoffen sind auch einige Antibiotika, die in der Umwelt zur Bildung und Verbreitung von Antibiotikaresistenzen beitragen können. Diese Wirkung wird jedoch bei der Herleitung der UQK nicht berücksichtigt. Das Oekotoxzentrum hat daher untersucht, ob die UQK niedrig genug sind, um auch vor der Bildung und Verbreitung von Antibiotikaresistenzen schützen. 

Antibiotika fördern resistente Bakterien

Antibiotisch wirksame Substanzen und Resistenzmechanismen kommen in der Umwelt natürlich vor – menschgemachte Emissionen von Antibiotika können aber zu einem erhöhten Auftreten führen. In Gewässer gelangen Antibiotika vor allem über Kläranlagen und Austräge aus der Landwirtschaft. Schon relativ tiefe Konzentrationen können die Selektion von antibiotikaresistenten Bakterien und die Weitergabe von Antibiotikaresistenzgenen begünstigen und so zur Verbreitung von antibiotikaresistenten Bakterien beitragen. Bakterien geben solche Resistenzen nicht nur durch Vererbung, sondern auch durch Gentransfer an andere Stämme oder Arten weiter. 

Das Oekotoxzentrum hat untersucht, ob die UQK für 7 Antibiotika, die es abgeleitet hat, auch vor der Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen schützen: und zwar für Azithromycin, Ciprofloxacin, Clarithromycin, Erythromycin, Sulfamethoxazol, Sulfamethazin und Trimethoprim. Ausserdem wurde der Stoff Triclosan betrachtet, ein Biozid, das in Arztpraxen und Spitälern als Desinfektionsmittel eingesetzt wird. 

Selektionsdruck ab welcher Konzentration?

Die UQK für die Antibiotika und für Triclosan hat das Oekotoxzentrum nach dem technischen Leitfaden der Europäischen Kommission hergeleitet. Dafür beurteilte es chronische und akute Toxizitätsdaten für Wasserorganismen von drei Ernährungsebenen. Die tiefste Antibiotikumkonzentration, von der ein Selektionsdruck auf Bakterien ausgeht (MSC), ist für die meisten Stoffe nicht bekannt und wurde daher nach verschiedenen Methoden aus den minimalen Hemmkonzentrationen hergeleitet oder aus Konzentrationen, bei denen noch keine Wachstumshemmung beobachtet wird. 

Für fünf der acht untersuchten Stoffe lagen die UQK tiefer als die MSC-Werte, so dass sie wohl auch vor der Verbreitung von Antibiotikaresistenzen schützen. Für die übrigen Stoffe sieht es weniger günstig aus: So liegen bei Trimethoprim die MSC bis zu 2'000 Mal tiefer als die UQK. Für solche Antibiotika wird in der EU bereits diskutiert, die Herleitung von UQK unter Umständen anzupassen. Konkret könnte das heissen, die UQK wie gewohnt herzuleiten aber zusätzlich experimentelle oder hergeleitete MSC zu berücksichtigen, um dann den tieferen Wert als Grenzwert zu verwenden. Ein anderer Vorschlag ist, bakterielle Resistenzbildung als Effektdaten in die Herleitung von UQK aufzunehmen. Das bedeutet eine Ausweitung der sonst in der Ökotoxikologie verwendeten Schutzziele. Antibiotikaresistenzen in der Umwelt stellen nämlich nicht zwingend ein Problem für die dort lebenden Organismen dar, sondern für die Behandlung von Infektionskrankheiten und damit indirekt für die menschliche Gesundheit. 

Mehr Informationen

Ferrari, G., Junghans, M., Korkaric, M., Werner, I. (2019) Antibiotikaresistenzbildung in der Umwelt. Herleitung von Umweltqualitätskriterien für Antibiotika unter Berücksichtigung von Resistenzbildung. Aqua&Gas 6, 52-58

Kontakt

Dr. Marion Junghans
Dr. Marion Junghans E-Mail Kontakt Tel. +41 58 765 5401

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