13. November 2025, Thema: Bodenökotoxikologie Risikobewertung
Monitoringkonzept für Pflanzenschutzmittel in Schweizer Böden
Das Oekotoxzentrum arbeitet zusammen mit der Nationalen Bodenbeobachtung (NABO) / Agroscope und EnviBioSoil an einem Konzept zur Überwachung von Pflanzenschutzmittelrückständen in Schweizer Agrarböden. Das Projekt ist Teil des Aktionsplans des Bundes zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Projektleiter und Bodenökotoxikologe Mathieu Renaud berichtet über die bisherigen Fortschritte.
Pflanzenschutzmittel (PSM) werden eingesetzt, um Kulturpflanzen vor Schädlingen zu schützen und so hohe Erträge zu sichern. Die Stoffe können jedoch auch unbeabsichtigt toxische Effekte auf nützliche Nichtzielorganismen im Boden haben. Um diese Risiken zuverlässig einzuschätzen und zu minimieren, sollten Rückstände von PSM in Böden regelmässig überwacht werden. Das Oekotoxzentrum entwickelt seit 2019 ein Konzept zur Überwachung von PSM-Rückständen in Schweizer Agrarböden, das in den Aktionsplan des Bundes eingebettet ist. Für die Risikobewertung von PSM in Böden und den Erhalt der langfristigen Bodenfruchtbarkeit sind zwei Dinge wichtig: die Entwicklung risikobasierter Bodenreferenzwerte – sogenannter soil guidance values (SGV) – sowie die Auswahl von Bioindikatoren, mit denen sich die Auswirkungen von PSM-Rückständen auf die Bodenorganismen untersuchen lassen.
Was wurde im Projekt bisher erreicht?
Wir sind schon weit gekommen: Wir haben Empfehlungen zur Risikobewertung in Böden veröffentlicht und eine Methode zur Bestimmung von SGV entwickelt. Was die Bioindikatoren angeht, haben wir Verbindungen zwischen den verschiedenen Bodenorganismen und den ökologischen Bodenfunktionen hergestellt und für die wichtigsten Organismen eine Liste mit potenziellen Feld- und Labormethoden erarbeitet. Dabei haben wir berücksichtigt, wie Stakeholder die Bedeutung verschiedener Ökosystemleistungen für die Bodenfruchtbarkeit einschätzen, und uns mit Experten über geeignete Methoden ausgetauscht. Ausserdem haben wir ein Konzept für ein integriertes Biomonitoring erarbeitet, das SGV und Bioindikatoren kombiniert.
Was waren die Schwierigkeiten?
Die Eigenschaften der Böden, ihre Vielfalt und die Art ihrer Nutzung machen die Sache kompliziert. Landwirtschaftsböden werden aktiv bewirtschaftet und PSM gezielt eingesetzt, um die Ernte zu sichern. Ihre Konzentrationen sollten ausserhalb der Anwendungszeit jedoch so gering sein, dass die Bodenqualität langfristig nicht beeinträchtigt wird. Für Landwirte ist gerade die nachhaltige Nutzung und die langfristige Produktivität ihrer Böden ein zentrales Anliegen. Insgesamt ist es ein schwieriger Balanceakt, während der Anwendung die gewünschte Wirkung auf Zielorganismen zu erzielen und gleichzeitig Auswirkungen auf Nichtzielorganismen ausserhalb dieser Zeiträume zu vermeiden.
Für den Schutz der langfristigen Bodenfruchtbarkeit spielt Zeit eine wichtige Rolle. Wie die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kürzlich hervorgehoben hat[ https://doi.org/10.2903/j.efsa.2025.9501] , können je nach Organismengruppe geringe oder mässige Effekte während oder direkt nach der Anwendung auftreten und sind akzeptabel – sie sollten jedoch nicht länger als sechs Monate anhalten und danach vernachlässigbar sein. Aus diesem Grund nehmen unsere Kollegen vom NABO ihre Proben im Winter, also ausserhalb der Anwendungsperiode. In dieser Zeit sollten PSM-Rückstände nur noch vernachlässigbare Auswirkungen haben, damit sich die Böden bis zur nächsten Saison erholen können. Dies sollte die Anreicherung von Rückständen und deren Auswirkungen verhindern.
Gemäss dem Aktionsplan sollen 2025 risikobasierte Referenzwerte vorgeschlagen werden. Gibt es bereits konkrete Werte?
Ja. Wir haben bereits SGV und begleitende Dossiers für sechs Pflanzenschutzmittel veröffentlicht: nämlich Difenoconazol, Fenpyrominat, Fluazinam, Pendimethalin, Pirimicarb und Tebufenozid. Bis Ende 2025 sollen drei weitere folgen. Diese Dossiers sind sehr detailliert und enthalten neben Wirkdaten auch Informationen über die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Stoffe, ihre Wirkweise, ihre Verwendung, ihre Emissionen, ihren Verbleib in der Umwelt sowie ihre Akkumulation in Tieren (Bioakkumulation). Wie Sie sich vorstellen können, ist dieses Verfahren zwar sehr wertvoll, aber auch zeitaufwändig. Da die PSM-Zulassungen entzogen oder neue PSM eingeführt werden können, war es wichtig, als Ergänzung einen weniger aufwändigen Ansatz zu finden. Aus diesem Grund entwickeln wir auch Ad-hoc-Werte. Diese basieren ausschliesslich auf Daten aus dem Zulassungsverfahren und umfassen keine vollständigen Dossiers.
Wie können solche Werte verwendet werden und werden sie regulatorisch wirksam?
In ihrer jetzigen Form sind SGV keine regulatorischen Werte. Wir schlagen vor, die SGV als Screening-Werte zu nutzen, um sicherzustellen, dass potenziell gefährdete Standorte zuverlässig identifiziert werden. Werden die Werte überschritten, so führt dies zu weiteren Untersuchungen, bevor das Risiko für einen Standort endgültig bewertet wird. Bei Standorten mit Konzentrationen unterhalb der SGV können wir sicher sein, dass die PSM-Rückstände nicht die Bodenfruchtbarkeit beeinträchtigen. Die SGV dienen der Interpretation der im Boden gemessenen PSM-Rückstände und zeigen an, ab welcher Konzentration die Bodenfruchtbarkeit eventuell gefährdet sein könnte. Es ist Sache der zuständigen Behörden, Entscheidungen über eine Übernahme der Werte in eine Verordnung zu treffen.