11. November 2025, Thema: Aquatische Ökotoxikologie Sedimentökotoxikologie Risikobewertung
Sonnencrèmes und Badeseen: Was passiert mit UV-Filtern in Schweizer Seen und in Versuchsteichen?
UV-Filter aus Sonnenschutzmitteln wurden in Schweizer Seen in Konzentrationen nachgewiesen, die teilweise über den vorläufigen Umweltqualitätskriterien liegen. Sowohl in den Seen als auch in Versuchsteichen reichern sich lipophile UV-Filter wie Octocrylen bevorzugt an der Wasseroberfläche an. Momentan werden zusätzliche Daten zum Verhalten und der Toxizität in Sedimenten bestimmt, um die Qualitätskriterien zu verfeinern.
Jeden Sommer füllen sich die Schweizer Seen mit Badenden, die sich abkühlen und ihre Haut mit Sonnenschutzmitteln schützen. Doch was geschieht mit diesen Mitteln, wenn sie ins Wasser gelangen? Im Zentrum stehen dabei die UV-Filter – die Wirkstoffe, die ultraviolette Strahlung absorbieren oder blockieren. «Ein Teil dieser Substanzen wird regelmässig in Gewässern weltweit nachgewiesen», sagt Projektleiterin Alexandra Kroll. «Und für viele Verbindungen fehlen noch belastbare Daten zu ihrer Toxizität und Umweltqualitätskriterien.» Die Sorge wächst, dass UV-Filter Risiken für Wasserorganismen darstellen könnten, insbesondere in beliebten Badegebieten.
Um dieser Frage nachzugehen, untersucht das Oekotoxzentrum gemeinsam mit der Fachhochschule Nordwestschweiz über zwei Jahre hinweg die Konzentrationen von ausgewählten UV-Filtern in fünf beliebten Schweizer Badeseen, darunter drei Bergseen. Parallel dazu führten die Forschenden kontrollierte Versuche in kleinen Versuchsteichen durch: Nach dem Eincremen mit Sonnencrème stiegen dafür Badende ins Wasser und hielten sich dort während 20 Minuten auf. Diese Teiche wurden nach dem Badeereignis ebenfalls regelmässig beprobt. «Für die Probenahme an der Wasseroberfläche verwenden wir ein ferngesteuertes Boot, das mit einer Walze gezielt Oberflächenwasser abtrennt und separat von der Wassersäule sammelt», erklärt Armin Zenker von der Fachhochschule Nordwestschweiz.
Auffällige Anreicherung an der Oberfläche
Die Teichversuche brachten ein klares Bild: Ein sichtbarer öliger Film aus Sonnencrèmerückständen blieb tagelang an der Oberfläche. Lipophile UV-Filter wie Octocrylen waren in dieser Oberflächenschicht bis zu 10’000-mal stärker konzentriert als im darunterliegenden Wasser. Dagegen zeigte der besser wasserlösliche UV-Filter PMDSA nur eine vierfache Anreicherung an der Oberfläche. Dieselben Muster fanden sich in natürlichen Seen. So dominierten im Greifensee lipophile Filter wie 2-Ethylhexylsalicylat , Homosalat und Octocrylen in der Oberflächenschicht, während sie in tieferen Wasserschichten nur in geringen Mengen vorkamen. Die hydrophileren UV-Filter hingegen waren an der Oberfläche seltener, aber dafür in der Wassersäule stärker vertreten. «Noch muss geklärt werden, was mit den UV-Filtern an der Oberfläche längerfristig geschieht und wie viele der Stoffe letztlich im Seesediment landen», sagt Armin Zenker.
Überschreitungen von vorläufigen Qualitätskriterien
Das Oekotoxzentrum hat für diejenigen UV-Filter, für die genügend Daten vorliegen, vorläufige Umweltqualitätskriterien hergeleitet: Dies war für etwa die Hälfte der untersuchten Substanzen möglich. Einige der analysierten UV-Filter traten in den Seen in Konzentrationen auf, die diese vorgeschlagenen Umweltqualitätskriterien überschritten. Sowohl im Greifensee als auch im Crestasee lagen die Werte von 2-Ethylhexylsalicylat und Octocrylen im Oberflächenwasser – und teilweise auch in der Wassersäule – deutlich über den ad hoc Umweltqualitätskriterium für Oberflächengewässer. «Dies zeigt, dass Risiken für Wasserorganismen nicht ausgeschlossen sind», sagt Alexandra Kroll. «Wir benötigen dringend mehr Daten zur Toxizität der Stoffe, um die ökotoxikologischen Risiken genauer bestimmen zu können.»
Nächste Schritte: Fokus auf Sedimente
Hier versuchen die Forschenden, Abhilfe zu schaffen: Messungen im Sediment und Untersuchungen zur Toxizität auf Sedimentorganismen sollen die fehlenden Daten liefern. Ausserdem möchten sie für problematische Stoffe robuste Qualitätskriterien bestimmen. «Wir hoffen, so den Weg der UV-Filter besser zu verstehen und dazu beizutragen, den Schutz der menschlichen Gesundheit mit dem Schutz der Umwelt in Einklang zu bringen», sagt Alexandra Kroll.